Geistphilosophisches Privatissimum
Hans Imhoff
Hans Imhoff
Asozialistik
Dissertation
Abyssos
Logik des Plans
Republik. Blüte
Poiesis
Krönung
Herabstieg
Echo
Geliebte Goethes

Kap. 1
Kap. 2
Kap. 3
Kap. 4
Kap. 5
Kap. 6
Kap. 7
Kap. 8
Kap. 9
Kap. 10
Kap. 11
Kap. 12
Kap. 13
Kap. 14
Kap. 15
Kap. 16
Kap. 17
Kap. 18
Kap. 19
Kap. 20
Kap. 21
Kap. 22

POIESIS
Verfassungsfragen

 

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Die Welt in zwei dialektische Pole auseinandergespalten zu haben, ist das Werk des deutschen Geistes. Dieses Werk wird leichter verständlich, sobald man sich vor Augen hält, daß ihm auf dem Gebiete der Philosophie ein ähnlicher Prozeß vorausging, der von Kant, Fichte, Schelling und Hegel getragen und später von Marx weitergetrieben wurde. Heine hat in seinen Betrachtungen über die Religion und Philosophie bei den Deutschen zuerst vorausgesehen, daß auf die geistige Probe das materielle Spiel folgen werde; Engels hat diese Konsequenz beschworen. Auffällig ist jedoch, daß bei diesen vorbildlich durchgeführten Phasen des Kampfes jedesmal der Stratege, dem es obliegt, die ganze Schlacht und ihren Zweck zu beobachten, zu fehlen scheint. Indessen fehlt er vielleicht doch nicht. Seine großen Philosophen hat nach Nietzsches Einsicht Griechenland im Augenblick seines Zerfalls hervorgebracht; es wäre seltsam, wenn Mitteleuropa, genauer Südwestdeutschland und Preußen, in den letzten 200 Jahren nicht die größten Philosophen hervorgebracht hätte. Als Gneisenau seinem König einen Plan über die Organisierung einer allgemeinen bewaffneten Volkserhebung übergeben hatte, notierte der Monarch an den Rand sein berühmtes »als Poesie gut«; doch der Militär replizierte sein welthistorisches Wort: Auch die Sicherheit der Throne beruhe zuletzt auf nichts als auf Poesie. Derart aufgeklärt war die europäische Führung damals, daß ihr die Verbindung von Wille, Setzung und Mythologie in den Verhältnissen der Staaten völlig durchsichtig war; lehrten nicht damals Fichte, Hegel und Schelling? Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, daß es eine planmäßige, offene, gezielte akademische oder politische organisierte Durchführung oder auch nur Erkenntnis der mitteleuropäischen Initiativen an der evolutionären Front nicht gibt noch auch gab, die etwa mit der französischen Königsidee, mit der britischen Politik oder gar mit der bolschewistischen Doktrin vergleichbar wäre. Existierten heute aber Erklärungen über die deutsche Befruchtung des Weltganzen, so spielten die Delegierungen der Aufgaben, die durchzuführen eine Nation zu schwach ist, an andere oder die gesamte Menschheit eine vorzügliche Rolle. Auch so kann dem sinnreichen Beobachter unmöglich entgehen, daß der alte Spiritus Europaeus die Auseinandersetzung zwischen Bourgeoisie und Kommunismus an die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion delegiert hat. Es handelt sich dabei zwar nicht um eine Kraftprobe, denn der Ausgang ist bereits entschieden, aber um eine überflüssige Kraftanstrengung, deren sich das kranke Europa selbst nicht mehr unterziehen könnte. Das alte Europa bedient sich der unverbrauchten Welt, um deutsche Ideen zu erproben, von denen die Menschheit gänzlich durchtränkt ist. Es wäre zu wünschen, daß von Fall zu Fall die Planung der allgemeinen Melioration in berufenen Händen den Kampf günstig beeinflusse. Die bloße Kritik und die Zügelung der falschen Mächte reichen, wie die Erfahrung lehrt, tatsächlich nicht aus. Darum lehrte der Dichter Kleist, daß der heldenmutige, ebenso listige wie göttlich absichtslose, sichere, siegreiche Kampf das Negative im Gesetzten, Bewußten, Legal-Gewohnt-Geordneten, also Sittlichen, als bloßes Moment seiner als des Positiven hinter sich zurückläßt.