Geistphilosophisches Privatissimum
Hans Imhoff
Hans Imhoff
Asozialistik
Dissertation
Abyssos
Logik des Plans
Republik. Blüte
Poiesis
Krönung
Herabstieg
Echo
Geliebte Goethes

Kap. 1
Kap. 2
Kap. 3
Kap. 4
Kap. 5
Kap. 6
Kap. 7
Kap. 8
Kap. 9
Kap. 10
Kap. 11
Kap. 12
Kap. 13
Kap. 14
Kap. 15
Kap. 16
Kap. 17
Kap. 18
Kap. 19
Kap. 20
Kap. 21
Kap. 22

POIESIS
Verfassungsfragen

 

12

Das was das Reich um den jeweiligen Mittelpunkt der Welt zusammenhält, ist das Selbstbewußtsein ganz weniger Individuen. Entscheidend ist, wodurch es sich bestätigt weiß. Welche Seiten aber in der Bewahrheitung seines Wissens hervorstechen mögen, zuletzt muß es in seiner Verfassung Bestätigung finden, oder sie wird ihm versagt und damit sein Selbst. Analyse des Mark Anton, der ronkalischen Beschlüsse; die Frage: War Alexander die Weltherrschaft, war den Deutschen des ersten Kaiserreiches die Vereinigung Westroms mit Byzanz zu einem Universalreich möglich? Nach Dantes De monarchia haben die Könige für das besondere Recht der einzelnen Nationen zu sorgen, der Kaiser jedoch habe über das allen zugleich Zukommende auf der Erde, wie der Papst entsprechend im Hinblick auf die ewige Seligkeit, zu wachen. Das Bild des Marcus Antonius litt in der Geschichte aufgrund eines einzigen schweren Fehlers, den er beging, indem er mit dem Senat brach, wodurch er in Gegensatz zu Octavian geriet. Aber dieser Gegensatz bestand eben schon vorher und allein in der bloßen Existenz des Adoptivsohnes Caesars. Die Frage ist aber, ob ohne sein Bestehen auf der Macht, die durch sein Amt als Consul legitimiert war, der Prinzipat gerettet worden wäre. Denn Antonius hatte wie kein anderer die Pläne Caesars, mit dem er durch seine Mutter Julia verwandt war, begriffen und war als Plebejer geradezu prädestiniert, mit Caesar gemeinsam den Bruch mit der Republik zu vollziehen und das neue Amt des Imperators zu schaffen, in welchem, als der Perpetuierung des Diktators, der Notstand und seine Behebung in einem verfassungsmäßig anerkannt und eingerichtet wurde. Wir sehen auf dem Höhepunkt der Antike, im Jahre 44, in welchem Caesar von der republikanischen Verschwörung beseitigt wird, die beiden entscheidenden Klassen der Patrizier und Plebejer durch ihre erhabensten Protagonisten in gemeinsamem Consulat repräsentiert: dem Consulat des Julius Caesar und Marcus Antonius. Aber der Senat ist nicht mehr das Prinzip, in welchem die Verfassung, die Klassen und Ämter ruhen, sondern nur noch die Generalversammlung der Aktionäre des eben von Caesar geschaffenen Prinzipats. Darum zögert Antonius nach Caesars Tod einen Augenblick. Er weiß, daß er nicht die zentrale Macht innehat, daß er nur eine Macht repräsentiert, welche die zentrale des Prinzipats historisch und politisch mitkonstituierte, nämlich die Plebs. Er ist in einer furchtbaren Lage: Handelt er als Consul, das heißt gibt er die Macht an die senatorische Partei zurück, dann ist die Reaktion perfekt, der Aufstieg der Plebs wie das Imperium, die Befehlsgewalt des Imperators, ist zunichte gemacht und das römische Reich sinkt vor der Zeit in den Leichenhaufen seiner Bürgerkriege zusammen. So muß er gegen besseres Wissen, um des Prinzipiats willen, das den Fortschritt, die Rettung Roms darstellt - was er damals noch besser gewußt haben wird als der junge spätere Augustus -, die Alleinherrschaft usurpieren, welche ihm, dem Plebejer, von der ungebrochenen Klasse des Adels nicht, später aber dem Oktavian widerspruchslos überlassen wird. Man könnte hier noch die Reflexion anschließen, daß Antonius (nach der mit Oktavian gemeinsam unternommenen Besiegung Brutus` und Cassius`) in einem einzigen Jahr, 42 auf 41, den Osten für die nächsten tausend Jahre ordnete; etwas das danach keiner europäischen Macht mehr gelungen ist, und was zu erreichen vielleicht, vielleicht der eurasisch-sibirischen kommunistischen Sowjetunion vorbehalten ist - die übrigens, auch was die Lösung der Zentralisation der antagonistischen Klassen im Zentralrat eines Prinzipats angeht, bislang den größten Erfolg hatte. Das allerdings ist nicht aus der römischen und byzantinischen Verfassung unmittelbar abzuleiten, sondern aus den Konsequenzen der deutschen Verfassungsgeschichte, welche im dritten Rom nur einen besonders, einmalig gut vorbereiteten Boden fand. Deshalb ist auch die Sowjetunion nach Deutschland an erster Stelle unter den heute existierenden Staaten zu nennen.